Life in Slow-Mo

Geposted von Anja Murjahn am

Die STYLE DEFINERY KOLUMNE -
diesmal nicht Montag zum ersten Kaffee, sondern am Dienstagnachmittag - ganz gechilled vom Strand 🏖️

Wie heißt es so schön bei den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling:

„Es jibt sone und solche - und dann jibt es noch janz andere, aba dat sind die Schlimmsten“. In Bezug auf Zeiteinteilung bei der Arbeit gehöre ich eindeutig in die letzte Kategorie. Beim Fernsehen kam mir diese Eigenschaft noch sehr zugute, denn die Fähigkeit, alles immer erst auf den letzten Drücker zu erledigen, kann durchaus hilfreich sein, wenn man in einem Job tätig ist, der von großem Zeitdruck und „Last Minute“- Änderungen geprägt ist. Bei der Style Definery hingegen wäre ich oft gut bedient, mein Zeitmanagement etwas besser zu organisieren. Das betrifft insbesondere zwei Bereiche: Meinen Jahresabschluss und meine Kolumne. Ich weiß ja eigentlich ganz genau, bis wann ich spätestens fertig sein muss, um beides pünktlich veröffentlichen zu können. Und trotzdem fange ich immer viel zu spät an und gerate dann nach hinten raus total ins Schleudern, wie man aktuell an der Kolumne sieht, denn gestern morgen war nichts fertig zum ersten Kaffee. An einem Mangel an Themen lag es nicht, ganz im Gegenteil. Doch statt zu schreiben, gönnte ich mir am Sonntag einen wirklich langen und nichtsnutzigen Tag am Strand, denn ich bin aktuell in Andalusien, wo ich jedes Jahr einen Teil meines Sommers verbringe. Die Sonne schien, das Meer rauschte, es wehte eine leichte Brise und es gab kalte Getränke, weil ich kürzlich Geburtstag hatte und noch ein Fläschen von den Feierlichkeiten übrig war. Bevor ich mich versah, ging die Sonne unter und es war Zeit, nach Hause zu gehen, dort noch ein kleines Abendmahl für meine Kinder zuzubereiten, ein paar Runden „Stadt, Land, Fluss“ zu spielen und danach ins Bett zu gehen und erstmal richtig auszuschlafen. Natürlich hatte ich die ganze Zeit den Gedanken im Hinterkopf, dass ich noch dringend meine Kolumne würde schreiben müssen, aber irgendwann dachte ich mir: „Was soll‘s?“ Ich stehe ständig so unter Strom und arbeite natürlich auch im Urlaub jeden Tag ein bisschen, weshalb also nicht mal fünf gerade sein lassen und den Zustand zelebrieren, der sich bei mir tatsächlich nur sehr selten einstellt: Die maximale Entspannung.

Ich bin überhaupt kein Sicherheitsfreak und liebe das Abenteuer, trotzdem brauche ich Rituale und Verlässlichkeit, um loslassen zu können und damit einen gewissen Zustand der Erholung zu erreichen. Das bezieht sich gar nicht nur auf den Urlaub, sondern betrifft bei mir viele Lebensbereiche. Ein erstes Date oder ein Vorstellungsgespräch würde ich niemals in einem neuen Kleid absolvieren, sondern immer in einer Klamotte, in der ich mich wohl fühle, weil sie mir vertraut ist und einfach gut passt. Im Restaurant mache ich gerne mal ein Experiment, aber wenn ich mich nach einem entspannten Abend sehne, bestelle ich mir lieber etwas, von dem ich sicher weiß, dass es mir schmeckt.

Ich entdecke für mein Leben gerne neue Dinge und Orte, trotzdem wird es mir niemals langweilig, immer und immer nach Andalusien zu fahren, wo ich jedes Sandkorn am Strand kenne und wo sich auf der Speisekarte meines Lieblingslokals seit 15 Jahren nichts geändert hat. Früher, als meine Kinder noch klein waren, verbrachten wir einen Großteil unserer Sommerferien auf der Lieblingsinsel der Deutschen. Nicht auf Mallorca, sondern auf der anderen, auf Sylt. Es liegt in der Natur der Dinge, dass Ferien mit Kleinkindern per se keinen großen Erholungswert versprechen, aber Sylt stresste mich auf eine ganz besondere Art und Weise, denn hier kam der Wetterfaktor hinzu. Jeden Morgen galt mein erster Blick dem Himmel und der Hoffnung, es möge bitte nicht regnen und wärmer als 16 Grad Celsius werden. Nieselregen und herbstliche Temperaturen haben zweifelsohne auch ihren Reiz, aber eben nicht in den Sommerferien. Natürlich gibt es an den norddeutschen Küsten viele wunderschöne Tage und Wochen, aber der Unsicherheitsfaktor sorgte dafür, dass ich mich irgendwie nie so richtig entspannte.

Das ist hier ganz anders - so anders, dass ich am Freitagabend das Haus beinahe oben ohne verlassen hätte. Nicht im eigentlichen Sinne, sondern ohne Ansatzspray. Ich war zu einem Abendessen eingeladen und wollte gerade gehen, als meine Tochter mir hinterherrief:  “Mami, Du hast noch Trockenshampoo auf dem Kopf”. Das war eine einigermaßen verwirrende Aussage, da ich mir eine halbe Stunde zuvor die Haare gewaschen hatte, allerdings auf die klassische Art mit richtigem Shampoo unter der Dusche. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass hier eine Verwechslung vorlag und es sich bei den hellen Stellen auf meinem Kopf nicht um die Überreste der Rettung für Bad-Hair-Days handelte, sondern um meinen Ansatz. Der liebe Gott hat mir einst brünettes Haar geschenkt, doch alles, was nachwächst, ist mittlerweile unerbittlich einem anderen Farbton gewichen ist. Auch wenn es unter Influencerinnen auf der ganzen Welt inzwischen äußerst populär ist, der Natur freien Lauf und sich den Ansatz rauswachsen zu lassen, fühle ich mich noch lange nicht bereit für 50 Shades of Grey, zumindest nicht auf meinem Kopf. Umso erstaunlicher also, dass ich so aus dem Haus wollte. Dann aber dämmerte mir, dass ich offenbar ganz unbemerkt in einen neuen Bewusstseinszustand geglitten bin, nämlich den des Lebens im Slo-Mo-Modus, in dem (fast) alles irgendwie egal ist und es nur darum geht, bei sich zu sein und das Hier und Jetzt zu genießen. Inzwischen bin ich so gechilled, dass ich sogar beim Lesen der Zeitung drei Wochen Verspätung habe. Meine aktuelle Strandlektüre datiert vom 24. Juni. Das genieße ich jetzt einfach mal und habe statt eines schlechten Gewissens eine gute Zeit. Die wünsche ich Euch auch - von Herzen!

LOVE, Anja

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