Irrungen und Wirrungen

Geposted von Anja Murjahn am

Die STYLE DEFINERY KOLUMNE -
bis auf Weiteres immer dann, wenn ich Zeit habe...

Foto: Anja Murjahn

Hätte, hätte, Fahrradkette... Hätte ich doch bloß den Mund nicht so vollgenommen und mir als Slogan für meine Kolumne „Ab sofort jeden Montag zum ersten Kaffee“ auf die Fahne geschrieben. Damit wollte ich mir selbst den Druck auferlegen, mich spätestens sonntagabends hinzusetzen und die Woche Revue passieren zu lassen oder - wenn nichts passiert, was eine Revue verdient hätte - irgendeinen Schwank aus meinem Leben zum Besten zu geben. But let's face it: Aktuell lässt meine diesbezügliche Performance sehr zu wünschen übrig. Ich weiß zwar nicht, wie viele Menschen meine Kolumne lesen und deshalb überhaupt bemerken, wenn der Style Definery Instagram Account am Montagmorgen nichts vermeldet - es dürften aber nicht allzu viele sein, zumindest, wenn man nach meinen Followerzahlen geht. Insofern muss ich mich eigentlich auch gar nicht selbst fertig machen, wenn ich zwölf Stunden vor der geplanten Veröffentlichung nichts Vernünftiges zu Papier bzw. Laptop gebracht habe. Trotzdem hat man ja aber einen gewissen Anspruch an sich selbst und dem werde ich gerade leider nicht gerecht.

Der Grund ist kein Themenmangel, sondern vielmehr die Perspektive, von der aus ich auf gewisse Dinge blicke. Wer mich besser kennt, weiß, dass ich eigentlich ein durch und durch positiver und optimistischer Mensch bin und natürlich möchte ich, dass sich das auch in meiner Schreibe widerspiegelt. In den letzten drei Wochen war mir aber irgendwie mehr nach Jammern zumute, weil ich erschöpft und frustriert war und mir im stillen Kämmerlein gedacht habe, dass ich eigentlich am allerliebsten wieder eine fulltime Hausfrau wäre. Nicht, dass das nicht auch sehr erschöpfend und unbefriedigend sein kann, aber man kennt das ja: Das Gras in Nachbars Garten ist immer grüner und ich habe gehadert mit dem, was ich tue und mich gefragt, ob der Sprung in die Selbstständigkeit und insbesondere in das Fashionbusiness nicht ein riesengroßer Fehler war. Alles kam mir plötzlich so schwer und traurig und irgendwie endgültig vor: die Kinder mehr oder weniger aus dem Haus, die Trauer über die leeren Zimmer, die Aufgabe unseres alten Zuhauses und die damit verbundene Trennung von vielen Erinnerungen; die Frage, ob ich trotz der vielen Arbeit und Mühe, die ich in die Style Definery stecke, jemals wirklich Geld damit verdienen werde und der Blick in den Spiegel und die (nicht mehr so neue) Feststellung, dass nichts an mir dünner wird außer meine Haare.

Ich hatte ein echtes Tief und tat mir leid und ich schwor mir, in meinem nächsten Leben besser in Mathe und Biologie aufzupassen, damit ich dadurch vielleicht doch noch die Chance auf eine sinnvolle Karriere bekomme.

Tatsächlich stelle ich mir öfter die Frage, ob ich mit dem Wissen von heute als junge Frau vieles ganz anders gemacht hätte, ob ich mich also vielleicht tatsächlich für ein völlig anderes Studium entschieden hätte und heute zum Beispiel Anwältin oder Landärztin wäre. Wenn ich aber ganz ehrlich bin, dann ahne ich die Antwort und sie lautet NEIN. Mein 21-jähriges Ich hätte keinen Heller auf das gegeben, was ich heute weiß, genauso wenig wie für mich im Hier und Jetzt stets gilt, was ich mir vor längerer Zeit mal als nächstes Etappenziel vorgenommen hatte. Aber vielleicht ist das gar nicht so schlimm. Wenn ich schon mit Anfang 20 gewusst hätte, was gut ist für mich und was nicht, was wäre mir dann in meinem bisherigen Leben alles entgangen an Spaß? Und an Irrungen und Wirrungen, an tollen und nicht so tollen Menschen, an existentiellen Situationen, an Inspirationen und vor allem an all den Erfahrungen, die das Leben zu etwas machen, worüber man gerne spricht und worauf man irgendwann einmal gerne zurückschauen möchte. In meinem tiefsten Innern weiß ich, dass auf jede Durststrecke eine fruchtbare Zeit folgt und dass es normal ist, zwischendurch mal schlappzumachen. Von Anne Petersen, Chefredakteurin des Salon Magazins, habe ich folgendes Zitat gefunden: „Man sollte mutig sein im Leben, mutige Entscheidungen treffen und sich was trauen. Das zahlt sich aus.“ Recht hat sie. Mut wird immer belohnt - und sei es auch nicht monetär, dann mit etwas anderem. Mut bedeutet auch, sich nicht immer perfekt zu zeigen, Schwäche und Zweifel zuzulassen und einzuräumen und zwischendurch den eigenen Perfektionismus fahren zu lassen. Deshalb verzeihe ich mir auch meine aktuell eher unregelmäßige Schreibe, die ich wegen zu vieler Projekte bis auf Weiteres einfach immer dann absetzen werde, wenn ich es zeitlich schaffe und stürze mich voller Optimismus und Freude in diese Woche, in der ich drei Tage lang beruflich in meiner Lieblingsstadt Berlin bin. Wie schön ist das bitte?

Habt eine tolle Woche!

LOVE, Anja

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