Die STYLE DEFINERY KOLUMNE -
heute ganz entspannt erst zum zweiten Kaffee ☕️
Man kann sagen, was man will – aber selbst als Germanistin und geboren im Land der Dichter und Denker muss ich immer wieder feststellen, dass die englische Sprache häufig sehr viel mehr hergibt als die, mit der ich aufgewachsen bin. Es gibt wunderbare Ausdrücke für bestimmte Situationen oder Gefühlszustände, die englisch gesprochen irgendwie besser klingen und die Dinge einfach auf den Punkt bringen. „Anxiety“ ist so ein Beispiel. Ins Deutsche übersetzt bedeutet es „Angst“, aber „Anxiety“ ist so viel mehr. Für mich steht dieser Begriff für Unbehagen, Druck, Nervosität, Unsicherheit, Unruhe – und ja, auch ein wenig Angst, aber eben in Kombination mit dem davor genannten – und einer der größten Trigger in meinem Fall ist Social Media. Nur wenig setzt mich so unter Druck und löst bei mir derartige Versagensängste aus wie etwa Instagram. Natürlich weiß ich selbst, dass der Spruch „Mehr Schein als Sein“ hier absolut Programm ist, dennoch kann ich mich nicht frei machen von dem Gefühl, dass es alle anderen besser drauf haben als ich, dass ich für immer und ewig bei ca. 2500 Followern stehen bleiben werde, von denen es die meisten ohnehin nicht juckt, was die Style Definery so macht und dass alles ein fürchterliches Ende nehmen wird. Diesen Gemütszustand verkrafte ich mal besser und mal schlechter. Eigentlich weiß ich mit 55 Jahren ja sehr gut, was mir gut tut und was nicht, trotzdem beginne ich viele Tage in der Woche nicht mit Frühsport und meinem geliebten Nescafé in der Hand, sondern scrolle noch im Bett liegend durch meinen Insta-Feed und bin dann um 7.30 Uhr bereits so demoralisiert wie nur früher als Studentin bei einem Blick auf meine Kontoauszüge. Was für eine elende Art, in den Tag zu starten. Umso schöner war es, als ich am Wochenende aushäusig unterwegs war und feststellen musste, dass ich mein Handy zu Hause vergessen hatte. Nach einer kleinen Nervositätsattacke stellte sich alsbald ein Gefühl allergrößter Freiheit ein, welches am Sonntag seinen absoluten Höhepunkt erreichte.
Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal wach geworden bin und nicht sofort auf meinen Screen gestarrt habe. Keine schlechten Nachrichten, kein Instagram, keine Emails, sondern dösend in den Tag kommen, dem Dauerregen lauschen, einen Cappuccino mit Hafermilch trinken und danach „Moonraker“ mit Roger Moore schauen und sich an dem Spektakel erfreuen, welches sich die 007-Produzenten anno 1979 ohne KI und all das andere digitale Getöse einfallen ließen. Bis abends war ich ohne Telefon, ohne Social Media und ohne Wetter-App, sondern nur mit mir und dem Mann, dem ich mein Herz geschenkt habe. Wir sprachen über die Liebe und das Glück, über Vergangenes und über Neuanfänge, wir gingen spazieren und philosophierten über das ideale Alter, über Frankfurt und Berlin, über Familiendynamiken und außerirdisches Leben, über Athen und Spaghetti mit Zitronensauce - und schauten dabei nicht ein einziges Mal auf einen Handybildschirm. Es war der perfekte Tag und als ich abends nach Hause fuhr, um am Ende doch noch mein Telefon einzusammeln, war Instagram zwar noch genauso beängstigend wie zuvor, aber für einen kurzen, köstlichen und kostbaren Moment war mir das total egal. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, dass ich einen Weg finden sollte, mir dieses Gefühl zu bewahren und mich freizumachen von meiner Anxiety, dem Zwang des ständigen Postens und Posierens und von meiner Furcht davor, nicht gut genug zu sein für eine Welt, in der sich alle unentwegt gegenseitig überstrahlen und über der dennoch fast immer ein Filter liegt. Das ist ein hehres Ziel, aber Übung macht bekanntlich den Meister. Heute beginnt Urlaub Teil 2 – und das handylose Wochenende war der beste Auftakt, den man sich nur vorstellen kann.
Euch einen wunderbaren Start in die neue Woche, wo auch immer Ihr gerade seid.
LOVE, Anja