Die STYLE DEFINERY KOLUMNE -
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Kürzlich saß ich mit einer Freundin zusammen, die aufgrund einer Trennung umgezogen war und sich in diesem Zusammenhang wohnflächentechnisch deutlich verkleinern musste. Mit der Verringerung des Wohnraums ging auch die Frage einher, was man mit all dem Zeug anstellt, was sich im Laufe der Jahre so angehäuft hat. Das Thema war bzw. ist mir wohlbekannt und ich gelte aufgrund meiner vielen Umzüge (und auch Trennungen) als kompetente Ansprechpartnerin bei allen Fragen rund ums Einlagern, Auslagern, Verkaufen, Verschenken und Verzweifeln. Gerade letzteres ist eine häufige Begleiterscheinung. Die Entscheidung, in eine kleine(re) Wohnung zu ziehen, ist schließlich nicht immer eine freiwillige. Oft ist man aufgrund finanzieller Gründe dazu gezwungen, sei es wegen einer Scheidung, eines Jobverlusts oder dramatischer Fehlspekulationen an der Börse - und dass die Laune dann erstmal im Keller ist, ist irgendwie klar. Trotzdem birgt die Verkleinerung große Chancen, denn (zu viel) Besitz kann auch eine echte Belastung sein.
Je mehr man hat, umso größer ist die Aufmerksamkeit, die man den Dingen schenken muss. Ein Haus macht immer mehr Arbeit als eine Wohnung, ein Garten braucht mehr Pflege als ein Balkon und zehn Meter Kleiderschrank erhöhen die Gefahr eines Fashion-Burn-Outs um ein Vielfaches. Nicht umsonst jammern die Menschen mit den meisten Klamotten am häufigsten, dass sie nichts zum Anziehen haben. Ich selbst nehme mich da gar nicht aus. Im Verlauf der letzten 30 Jahre habe ich so viele Sachen angesammelt, dass mir teilweise ganz schwindelig wurde, wenn ich all die Kleider, Hosen, Jacken, Schuhe, Taschen, Brillen etc. pp. betrachtete, die ich mein Eigen nennen durfte. Das Schlimmste war, dass ich das meiste davon überhaupt nicht anzog, gleichwohl aber unfähig war, mich von all den vielen schönen Dingen zu trennen. Warum? Ganz einfach – ich hatte zu viel Platz. Erst eine finanzielle Notlage, die mich dazu zwang, mich drastisch zu verkleinern, verhalf mir zu dem nötigen Durchblick und damit dazu, nicht nur das zu sehen, was ich zu brauchen glaubte, sondern vor allem das, was mir tatsächlich lieb und wichtig ist.
Wenn es beispielsweise um Klamotten geht, habe ich, wie so viele andere Menschen auch, meine „Uniform“, also das, worin ich mich wohl und sicher fühle – und sehr viel mehr brauche ich eigentlich nicht. Es ist ein bisschen so wie mit meiner absoluten Lieblingsserie aller Zeiten „Sex and the City“, kurz SATC, die gerade das 25-jährige Jubiläum feierte und die ich seit ihrem ersten Erscheinen auch schon mindestens 25 mal komplett durchgeschaut habe. Es gibt so viele tolle andere Serien, aber ich kehre am Ende doch immer wieder zu SATC zurück, insbesondere dann, wenn es mir nicht gut geht, ich traurig bin und mich einsam fühle. Ich brauche nur wenige Folgen und bin danach in völlig anderer Stimmung.
Dann fühle ich mich wie nach einer fabelhaften Reise mit meinen Freundinnen und alles, was vorher irgendwie grau und schwer war, bekommt wieder einen neuen Farbanstrich. Carrie, Charlotte, Samantha und Miranda sind mir so vertraut wie mein schwarzer Lieblingsblazer von Vanessa Bruno, der inzwischen zehnmal neu zusammengeflickt wurde und seine besten Tage eindeutig hinter sich hat. Trotzdem ist er der absolute Liebling in meinem Schrank und all die anderen fabelhaften Blazer, die dort viele Jahre hingen, konnten noch so schön sein – am Ende fristeten sie dennoch ein trostloses Dasein als ungetragene Staubfänger und fanden erst durch meine akute Platznot zu neuen Besitzern, die sie heute hoffentlich ebenso lieben wie ich mein Vanessa-Bruno-Schätzchen.
Kleiner Exkurs: Die wunderbare Suse Kaloff hat in ihrer aktuellen Kolumne auch über die SATC-Comfortzone geschrieben, zwar in einem anderen Kontext, aber umso lesenswerter unter https://substack.com/@susekaloff. Suse gebührt an dieser Stelle ein ganz besonderer Dank, denn sie ist es, die mich wieder zum Schreiben gebracht und damit etwas wiederbelebt hat, dass mir lange Zeit Trost war und Kraft gespendet hat in schweren Zeiten. Ob ich mit dem Schreiben je wieder Geld verdienen werde, kann ich aktuell nicht beurteilen, aber darum geht es an dieser Stelle nicht, sondern darum, wie wohltuend liebe Gewohnheiten sein können und darum, dass es nicht viel braucht, um Glück empfinden zu können. Das funktioniert auf 80 qm genauso gut wie auf 250 qm, vielleicht sogar noch besser. Denn wenn man sich erst einmal dazu entschlossen hat, sich von dem zu trennen, was man nicht braucht, nicht trägt und im schlimmsten Fall noch nicht einmal besonders mag, dann ist das eine ungeheure Befreiung. Das gilt nicht nur für Klamotten, sondern für so vieles andere auch. Für abgelaufene Lebensmittel, unangenehme Menschen und schlechte Bücher. Für Beziehungen, die nicht mehr funktionieren, für zu kleine Schuhe, zu große Autos und für Parfum, das nicht zu einem passt. Dafür ist dann Platz für Anderes, das wichtiger ist und viel besser zu einem passt.
Demnächst muss ich mich übrigens ein weiteres Mal verkleinern. Und tatsächlich freue ich mich richtig darauf, auch wenn es erst einmal viel Arbeit und Stress bedeutet und wieder viele kleine und auch ein paar größere Abschiede beinhaltet. Ich werde weitere Klamotten verkaufen, Schuhe, Taschen, ein Sofa, drei Betten, Weingläser, Knoll Stühle und einen Weber Grill. Das sind in diesem Falle alles Gegenstände, die mir wunderschöne Momente geschenkt haben, für die ich in Zukunft aber leider keinen Platz mehr habe. Das ist aber nicht schlimm. Wir haben uns geliebt, doch nun ist unsere gemeinsame Zeit vorbei. Auch so kann man sich trennen – im Guten und mit einem wohlwollenden Blick auf das, was war und was man hatte. Die Zukunft hält so viel Neues bereit und beginnt genau jetzt.
Euch eine wunderschöne Woche.
LOVE, Anja